2  Methode

Author

Stephanie Wohlfahrt

2.1 Fotofallen-Monitoring

2.1.1 Auswertungszeiträume

Für das Schalenwildmonitoring und die Dichteberechnung werden in jedem Jahr vier einmonatige Zeiträume mit jeweils 29-31 Tagen Laufzeit ausgewählt, um einen Überblick über ein Jahr zu erhalten:

  • Frühling: 06. Mai -05. Juni 2023

  • Sommer: 17. Juli - 16. August 2023

  • Herbst: 13. Oktober.-12. November 2023

  • Winter: 01.-29. Februar 2024

  • Frühling: 01.-31. Mai 2024

  • Sommer: 01.-31. Juli 2024

  • Herbst: 13. Oktober.-12. November 2024

2.1.2 Kameratyp und-standorte

Für das Schalenwildmonitoring wurden 25 Wildkameras vom Typ Secacam Pro Plus des Herstellers Zeiss (VenTrade GmbH, Deutschland) installiert. Diese Kameras haben einen Blickwinkel von 60° und arbeiten mit einem passiven Infrarot-Bewegungssensor, der für das Schalenwild weitgehend unsichtbar ist und es daher so wenig wie möglich beeinflusst. Die Kameras sind so programmiert, dass sie pro Auslösung 5 Bilder mit einer Auflösung von 4 MP aufnehmen, ohne Aufnahmepause zwischen der ersten und der nächsten Auslösung. Dies ermöglicht eine kontinuierliche Beobachtung der Tiere vor der Kamera mit einer sehr hohen zeitlichen Auflösung. Die Bilder wurden mit Informationen über Datum, Uhrzeit und Temperatur zum Zeitpunkt der automatischen Auslösung versehen. Alle Kameras wurden auf maximale Empfindlichkeit programmiert, um eine möglichst hohe Auslösewahrscheinlichkeit zu erreichen. Als Blitzmodus wurde „Power Save“ gewählt. Alle Bilddaten wurden auf SD-Karten mit einer Speicherkapazität von mindestens 16 GB gespeichert. Bei jedem Kartenwechsel wird auch der Batteriestand überprüft und bei Bedarf durch volle Batterien ersetzt.

Die Kameraplatzierung für das Schalenwildmonitoring folgt einem systematischen Raster. Die Standorte werden im Gelände mit Hilfe eines GPS-Gerätes vom Typ Garmin PPSMAP 65 s (Garmin Austria GmbH, 8141 Premstätten, Österreich) aufgesucht. Im Feld wurden die Kameras möglichst an den vorgegebenen Koordinaten auf einem geeigneten Baum in einer Höhe von 50 bis 80 Zentimetern montiert, vorzugsweise nach Norden ausgerichtet, um direkte Sonneneinstrahlung zu vermeiden. Zusätzlich wurde darauf geachtet, dass der Bewegungssensor der Kameras nicht unnötig leicht durch zu hohe und dichte Vegetation ausgelöst werden kann. Nur im Bereich von Straßen, Wegen und landwirtschaftlich genutzten Flächen ist eine geringfügige Verschiebung des Punktes vorgesehen. Es werden explizit keine Wildwechsel oder Richtungen gewählt, die eine maximale Anzahl von Aufnahmen versprechen. Fällt ein Punkt jedoch zufällig auf einen Wildwechsel, so wird die Kamera auch dort aufgestellt. Dieses Vorgehen ist eine absolute Prämisse des verwendeten Modells zur Dichteberechnung und ermöglicht auch durch den Stichprobencharakter genaue Aussagen über das Geschlechterverhältnis und die Sozialstruktur der untersuchten Schalenwildarten im Gebiet.

2.1.3 Auswertung

Nach dem Auslesen der SD-Karten werden die Bilddateien mit Hilfe der Software MegaDetector (Beery et al., 2019) und Timelapse (Greenberg, 2019) von Leerfotos bereinigt. Leerfotos sind Bilder ohne Tierbeobachtungen, meist ausgelöst durch sich erwärmende und bewegende Vegetation im Sichtfeld der Kameras. Die bereinigten Dateien werden dann auf die Online-Plattform Agouti hochgeladen, wo sie nach Events vorsortiert werden. Ein Event beginnt mit dem Erscheinen eines Wildtieres oder einer Gruppe von Wildtieren im Bild und endet mit dem Verlassen des Wildtieres oder der Gruppe (Rowcliffe et al., 2011). Ein Event endet auch, wenn zwei Minute lang kein Bild desselben Tieres aufgenommen wird oder wenn Bilder einer anderen Tierart die Aufnahmeserie des Individuums unterbrechen. Für jedes Event werden Art, Anzahl, Geschlecht, Alter, Uhrzeit und Datum der beobachteten Individuen erfasst. Die Schätzung des Radius, d.h. der Entfernung des Individuums zur Kamera in Metern, des Winkels des Individuums zur Kamera und der Geschwindigkeit, mit der ein Individuum das Sichtfeld durchquert erfolgt anhand von vor Ort durchgeführten Referenzmessungspunkten trigonometrsich.

2.1.4 Tageszeiten

Die Zeiteinstellung erfolgt ganzjährig in Winterzeit (UTC+1) und wird bei Bedarf während der Datenverarbeitung in Sommerzeit umgerechnet. Der 24-Stunden-Tag ist unterteilt in Morgendämmerung, Tag, Abenddämmerung und Nacht. Der Beginn der zivilen Morgendämmerung wird durch den Sonnenwinkel von sechs Grad unter dem Horizont definiert, das Ende durch den Sonnenaufgang. Der Beginn der zivilen Dämmerung ist der Sonnenuntergang, das Ende wird ebenfalls durch den Sonnenwinkel von sechs Grad unter dem Horizont bestimmt. Der definierte Tag beginnt mit dem Sonnenaufgang und endet mit dem Sonnenuntergang. Die Nacht liegt zwischen dem Ende der zivilen Abenddämmerung und dem Beginn der zivilen Morgendämmerung. Die Zuordnung zu diesen vier Kategorien erfolgt rechnerisch anhand der GPS-Koordinaten der Fotofallenstandorte und der jeweiligen datumsbezogenen Uhrzeiten mit Hilfe des R-Paketes maptools (Bivand et al. 2022).

2.1.5 Begriffserklärung

Fotonachweis: Jedes Foto, das ein oder mehrere Individuen einer Art zeigt. Jeder Fotonachweis wird in das Fotoverwaltungsprogramm Agouti hochgeladen.

Sichtung: Ein Individuum, das auf einer beliebigen Anzahl von Fotografien in Folge zu sehen ist. Verlässt ein Individuum den Bildausschnitt für mehr als eine Minute und kehrt dann wieder zurück, gilt dies als neue Beobachtung.

Event: Die Sichtung von einem oder mehreren Tieren derselben Wildart wird als Event bezeichnet. Ein Event umfasst also mindestens eine oder mehrere Sichtungen derselben oder verschiedener Klassen einer Wildart. Ein an der Kamera vorbeiziehendes Kahlwildrudel mit vier Alttieren und vier Kälbern ist somit ein Event mit insgesamt 8 Sichtungen. Ein einzelner vorbeiziehender Rehbock ist ein Event mit einer Beobachtung. Das Event endet, wenn alle Individuen den Bildausschnitt verlassen haben. Ein neues Event beginnt, wenn eine neue Wildart auftaucht oder wenn zwischen dem letzten Foto einer Wildart und dem nächsten Foto derselben Wildart mehr als eine Minute liegt, mit oder ohne Leerbilder dazwischen. Ein Rehbock, der mit 40 Sekunden Verspätung einer zuvor durch den Bildausschnitt gewechselten Rehgeiß folgt, ergibt ein Event (dieselbe Wildart innerhalb von zwei Minuten zwischen letztem Foto der Geiß und erstem Foto des Bocks) mit 2 Sichtungen (einmal Rehgeiß und einmal Rehbock).

2.1.6 Dichteberechnung

Für die Dichteberechnung modellieren wir die zufälligen Begegnungen von Tieren mit dem Sichtfeld der Kameras auf Basis des „Random Encounter Model (REM)“ von Rowcliffe (2008). In die Formel gehen folgende Parameter ein: der Radius r, der Winkel 𝜃, die Geschwindigkeit in m/s, die mittlere Aktivitätsrate sowie die mittlere Gruppengröße. Die Aktivitätsrate beschreibt die Zeit, die eine Tierart aktiv und in Bewegung ist, und somit theoretisch von einer der Kameras erfasst werden kann. Aus der Geschwindigkeit und der Aktivitätsrate wird die Tagesdistanz v in km/t berechnet. Die Anzahl der Events pro Kamera und Kameratag (Y/t) geht ebenfalls in die Formel ein. Die verwendete Formel dieses Random Encounter Modells (REM) von Rowcliffe et al. (2008) lautet für die Dichte folgendermaßen:

2.1.6.1 Fangrate (RAI = Relative Abundance Index)

Das Maß für die relative Häufigkeit des Wildvorkommens ist die Fangrate oder RAI. Ermittelt wird die Fangrate R, indem die Anzahl der gezählten Sichtungen ƴ aller Events durch die Anzahl der Kameratage t dividiert und anschließend mit 100 multipliziert wird:

R = Y/t*100

Daraus ergibt sich die Anzahl der Sichtungen pro 100 Kameratage. Dies ermöglicht einen direkten Vergleich der Beobachtungen an den verschiedenen Standorten, unabhängig von eventuellen Unterbrechungen der Kameralaufzeit.

2.1.7 Ansprache

Rotwild wurde in die Klassen Hirsch (mehrjährig), Spießer (einjähriger Hirsch), Tier, Schmaltier (einjähriges Tier), Kalb und nicht angesprochen (n.a.) bzw. subadult ohne Geschlechtszuordnung eingeteilt. Als Kälber wurden Jungtiere des Vorjahres bis zum 31. März sowie alle im Beobachtungsjahr geborenen Tiere bezeichnet. Die Unterscheidung zwischen subadulten (Schmaltier) und adulten Tieren ist anhand von Fotodokumenten schwierig bis nicht sicher möglich. Entsprechend restriktiv wurde die Ansprache der Schmaltiere gehandhabt. Beim Rehwild erfolgte die Unterteilung ähnlich wie beim Rotwild nach Bock (mehrjährig), Jährling (einjähriger Bock), Geiß, Schmalgeiß (einjährig), Kitz und nicht angesprochen (n.a.). Alle Geißen ab dem zweiten Lebensjahr wurden nicht nach Schmalgeißen und Altgeißen unterschieden. Als Kitze wurden Jungtiere bis zum 31. März, sowie alle im Beobachtungsjahr geborenen Tiere angesprochen. Das Gamswild wurde in die Klassen Bock (mehrjährig), Geiß (mehrjährig), Jährling (einjährige Geiß, einjähriger Bock), Kitz und nicht angesprochen (n.a.) eingeteilt. Aufgrund der schwierigeren Ansprache ist der Anteil der nicht angesprochenen Stücke höher als bei Reh- und Rotwild. Eine Zuordnung zu einer Klasse erfolgt nur bei sicherer Ansprache durch entsprechend guter Bildqualität und Bildanzahl. Als Kitze gelten alle Jungtiere des Vorjahres bis zum 31. März sowie alle im Beobachtungsjahr geborenen Tiere.

2.1.8 Geschlechterverhältnis

Die Ansprache der Stücke erfolgt hierarchisch nach einem Entscheidungsbaum. Dabei wird in folgender Reihenfolge vorgegangen: Familie - Wildart - Geschlecht - Alter - subadult ja/nein. Als subadult werden Tiere im zweiten Lebensjahr bezeichnet (Schmalstücke). Abhängig von der Fotoqualität, der Entfernung der Tiere zur Kamera, der Tageszeit und der Anzahl der Fotos eines Individuums ergeben sich verschiedene Kombinationen mit detaillierten Angaben zu Geschlecht und Alter der angesprochenen Stücke. Die Methode der Bestimmung des Geschlechterverhältnisses mittels Fotofallen hat, wie alle anderen Methoden zur Erfassung der Sozialstruktur, natürliche Grenzen. Eine 100 %ige Erfassung ist nur bei einer Vollzählung in einem Wildgehege zu erwarten.

Für die Berechnung des Geschlechterverhältnisses (GV) werden alle adulten (älter als ein Jahr) und subadulten (einjährigen) Tiere herangezogen, da Jungtiere generell auf Fotofallen nur selten nach Geschlecht angesprochen werden können. Um einen 95%-Vertrauensbereich für das GV berechnen zu können, wird zusätzlich der Anteil der nicht angesprochenen Individuen berücksichtigt. Dazu wird das GV für jede denkbare Kombination von männlichen und weiblichen Stücken innerhalb der Anzahl der nicht angesprochenen Stücke berechnet. Bei zehn Beobachtungen von Rehwild mit unbekanntem Geschlecht ergeben sich auf diese Weise elf verschiedene GV. Aus diesen lassen sich ein Mittelwert und ein Standardfehler für die Angabe des 95%-Vertrauensintervalls (in Klammern unter dem Mittelwert des GV angegeben) ermitteln.  Als Stichtag für den Übergang vom Jungtier zum einjährigen (subadulten) Stück wurde in Anlehnung an die Salzburger Abschussrichtlinienverordnung (Jagdrechtliche Bestimmungen Stand Jänner 2023 -Salzburger Jägerschaft 2023) der 1. April gewählt. Alle Kitze und Kälber des Vorjahres sind ab diesem Zeitpunkt je nach Geschlecht Schmalgeißen oder Jahrlinge bzw. Schmaltiere oder Spießer.